Dozentin Ingrid Wilfling nach dem Healing Camp 2018:

„Indien war wie ein Befreiungsschlag für mich“

 

Was für eine Aktion: 33 Absolventen der Heilerschule École San Esprit reisen nach Indien um dort hunderten Leidenden kostenlose Heilsitzungen zu geben. Noch unglaublicher als die Aktion selbst ist der Erfolg des Healing Camps – trotz zusätzlicher Liegen und Heilsitzungen um der enormen Nachfrage ansatzweise gerecht zu werden, konnten viele weitere Hoffende nicht mehr in dem ohnehin eng getakteten Ablauf untergebracht werden.

 

Doch egal ob Geheilte oder jene, die sehr zum Bedauern der Heiler nicht mehr bedacht werden konnten – alle waren sich einig: Bitte kommt wieder! Und so sieht es aktuell danach aus, dass es ein weiteres Camp geben könnte. Auf eigene Kosten und unter Verwendung der zumeist ohnehin knappen Urlaubszeit nach Indien reisen um dort Fremde zu heilen – wer macht so etwas? So viele, dass beim vergangenen Camp nur knapp die Hälfte der Interessierten mitreisen konnten. Unglaublich.

Und so hörte man bereits von Mitreisenden des ersten Camps, dass sie bei einer Fortsetzung dabei sein wollen – so auch Ingrid Wilfling. Sie war beim legendären Camp im Januar eine der Ersten, die sich angemeldet hatte und wird auch beim nächsten geplanten Camp 2020 dabei sein. Dafür verantwortlich sind nicht zuletzt die erstaunlichen Erlebnisse, die sie auf dem tropischen Subkontinent hatte.

 

Eine tiefgreifende Erfahrung

 

„Es gab da natürlich einige Warnungen aus der Familie und von Freunden, als ich das erste Mal von meinen Plänen berichtet habe. Aber trotzdem bin ich bei meiner Bauchentscheidung geblieben. Ich bin dann einfach in SKY gegangen und danach sind die Einwände einfach an mir abgeprallt. Wenn du als Heiler arbeitest, dann bist du neugierig darauf mit Menschen anderer Kulturen in deren Heimat zu arbeiten. Es ist so ein gewisses Bedürfnis da“, erinnert sich Wilfling zurück.

Lieber ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen – mit dieser Attitüde sollte die Heilerin und ehemalige Marketingmanagerin Recht behalten: „Meine Erfahrungen dort waren durchweg positiv, es hat mir unglaubliche Freude bereitet und einige Situationen haben mich sehr berührt. Und das alles in einer so tollen Gruppe zu erleben war wirklich etwas Besonderes für mich. Rundum ein wunderschönes Erlebnis – deshalb werde ich beim nächsten Camp selbstverständlich wieder mit dabei sein.“

 

Doch was macht diese Erfahrung auf dem tropischen Subkontinent so besonders? „Das ist schwer in Worte zu fassen. Ich bin in Indien aus dem Flieger gestiegen und war gleich auf einer anderen Ebene. Es ist dieses im hier und jetzt leben, nicht in der Vergangenheit festzustecken und sich auch nicht von der Zukunft geißeln zu lassen. Das ist für mich völlig untypisch. Normalerweise bin ich nicht so, ich kann das eigentlich nicht. Doch dieses Gefühl ist geblieben. Ich fühle mich jetzt zentrierter, in die Mitte gerückt.“

 

Die Faszination des Landes liegt in seinen Menschen: So berichtet Wilfling von der selbstverständlichen Wertschätzung des Gegenübers, die sie überall beobachten konnte und die sie zutiefst beeindruckt hat. Auch innerfamiliär gebe es eine andere Ebene der Begegnung: „Wie respektvoll und liebevoll die Angehörigen der Esperenten mit ihren Verwandten umgegangen sind, hat mich zu Tränen gerührt. So geduldig und ungezwungen. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zu unseren Verhältnissen in der westlichen Welt. Natürlich gibt es bei uns auch Menschen, die in der Hinsicht ähnlich sind aber in Summe ist das schon völlig anders.“

 

Dabei ist Wilfling ein Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben: Eines Morgens während des Healing Camps kam ein älterer Herr mit Rollator zu den Heilern und musste sogar um ihn auf die Liege zu legen rechts und links gestützt werden – alleine laufen war schon länger nicht mehr möglich. „Ich weiß noch ganz genau, wie fragend er zunächst geschaut hat. Wegen der Sprachbarriere war es ihm nicht möglich, direkt mit uns zu kommunizieren – doch ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Vor allem, nachdem er einige Zeit bei uns auf der Liege lag und gemerkt hat wie es ihm Minute für Minute besser ging. Plötzlich begannen seine Augen zu leuchten und er strahlte ganz warmherzig Liebe aus. Das war sehr ergreifend für mich. Dann kam auch noch sein Sohn nach einer Stunde wieder um den Rollator zu holen, den sie vergessen hatten. Nach der zweiten Heilsitzung stand er sogar aus eigenen Kräften auf und tanzte vor Freude mit seiner Tochter – und das mit seinen mehr als 90 Jahren. Das werde ich nie wieder vergessen.“

Zurück in Deutschland

Wieder in der Heimat angekommen, bemerkt die ehemalige Marketingmanagerin eine nachhaltige Veränderung: „Ich bin an und für sich die typische Macherin, die andere mitreißt und nichts dem Zufall überlässt, also die Dinge mit viel Vorbereitung und Nachbereitung angeht. Das bin ich einfach – immer unter Strom. Seit der Indienreise und dem Healing Camp fühle ich mich ungewohnt entschleunigt. Und bereits die vergangenen zehn Jahren als Heilerin haben mich meiner Meinung nach sehr positiv verändert. Ich bin jetzt wesentlich entspannter und zugleich fokussierter, versinke nicht mehr in der Planung und gehe alles bewusster an, auch im Bezug auf mich selbst. Im Gegensatz zu früher gehe ich auch nicht mehr so streng mit mir selbst um und damit geht es mir deutlich besser. Das ist eine langjährige Entwicklung, die sich in Indien manifestiert hat. Der Aufenthalt dort war wie ein Befreiungsschlag für mich, von all dem Druck und den Erwartungen an mich selbst. Jetzt fühle ich mich einfach nur gut und bin im Dauerflow. Die uneingeschränkte Wertschätzung, die ich Indien erfahren habe, berührt mich bis heute.“

Annette Mueller