1 Feb 2 Kommentare Annette Mueller Allgemein, Heiler Ohne Grenzen

Healing Camp India 2020: Tag 13 in Pondicherry

Vor genau zwei Jahren gelang der Initiative „Heiler ohne Grenzen“ der École San Esprit die große Sensation: 33 wagemutige Heiler reisten nach Pondicherry in Südindien und heilten dort im Rahmen des Healing Camp India 2018 mehr als 200 Leidende. Die Resonanz vor Ort war immens und die Heiler wurden zu gefeierten Helden. Nachdem schon kurz nach Ende des Camps Stimmen laut wurden, die sich für eine Fortsetzung aussprachen, nahm sich San Esprit Gründerin und Initiatorin Annette Müller dem Wunsch an und organisierte in den vergangenen 15 Monaten die Neuauflage des Healing Camps mit 45 Mitwirkenden. 

Und das ist ein voller Erfolg: Mehr als 400 Heilsitzungen in nur fünf Tagen. Über 250 Geheilte. Wieder ist es den amazinGRACE Heilern gelungen, Hunderten ein besseres Leben zu schenken und Tausende zu inspirieren. Im Gegenzug wurde ihnen viel Liebe und Dankbarkeit zu teil.

Nachdem unsere Heiler gestern gemeinsam im Rahmen eines Tagesausfluges den Tempelbezirk von Mahabalipuram bestaunt haben, ist heute der letzte freie Tag der Heiler, bevor es für alle zurück in die Heimat geht. Abgesehen von San Esprit Gründerin und Healing Camp Initiatorin Annette Müller, die noch einige Woche in Indien und Sri Lanka bleiben wird, um das nächste Camp im kommenden Jahr 2021 zu organisieren.

Ein besonderes Programm für den heutigen Vormittag haben Annette Müller und Anja Gschwendtner. Weil unsere Anja sich als geborenes Organisationstalent primär um die Registratur gekümmert hat und damit entscheidend für den erfolgreichen Ablauf des Camps war, gab es einen Spezialauftrag: Anja durfte die Hausbesuche für diejenigen älteren Esperenten machen, die zu krank und gebrechlich waren um die Anreise ins Atithi zu stemmen. Mit ihrem heldenhaften Engagement und den wirksamen Heilungen hat die San Esprit Heilerin einige Leute beeindruckt und wurde gemeinsam mit der San Esprit Gründerin in die heiligen Privat-Räume von Sri Aurobindo und Mirra Alfassa, die alle in Pondicherry „die Mutter“ nennen, eingeladen.

Haben gerade das Healing Camp 2021 besprochen und dann kam die Einladung – was für eine Ehre

„Das war total eindrucksvoll, es wurde alles so gelassen wie es war. Auch wenn es dadurch wirkt wie in einem Museum, sind die Räumlichkeiten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und stellen den heiligsten Ort des Ashrams dar. Nur ausgewählte Personen dürfen hierhin kommen um zu meditieren. Das war uns eine große Ehre. Anschließend sind wir dann noch ein Stockwerk tiefer und haben die Gräber besucht. Bevor wir gegangen sind, haben wir sogar noch Geschenke von Angehörigen des Ashrams bekommen.“ , berichtet Annette Müller.

Gehört schon etwas Mut dazu sich so in den indischen Verkehr zu wagen

Wer noch etwas mehr über Sri Aurobindo und die Mutter Mirra Alfassa erfahren möchte, hier ein Auszug aus dem bald erscheinenden Reisetagebuch von Journalist Maximilian Medlitsch, der die Heiler bei ihrem ersten legendären Healing Camp begleitet hat:

Nach drei wundervollen, aber zugleich äußerst strapaziösen Tagen Healing Camp dürfen sich die 33 Heiler heute auf ihren freien Nachmittag freuen. Der beginnt wie jeden Mittag mit der holprigen Fahrt zu unserem Hotelbuffet. Dort wartet bereits Prabhat mit Freunden auf uns, begrüßt uns, erkundigt sich nach unserem leiblichen Befinden und den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben. Interessiert lauscht er den Berichten der Heiler.

Bei dem ein oder anderen zeigt sich bereits das schlechte Gewissen mit Blick auf die Strandfigur. Aber das Essen ist einfach zu gut. Das ist die Ausrede, die ich heute bereits zum vierten Mal gehört habe und die ich mir auch selbst erzähle. Gut, dass es keine Waage in meinem Bungalow gibt. Doch der morgendliche Blick in den Spiegel spricht Bände.

Allen Indienreisenden kann ich an dieser Stelle zu jeder Mahlzeit Papadam empfehlen. Das ist ein dünner frittierter Fladen aus Linsenmehl, gewürzt mit Pfeffer, Kreuzkümmel, Knoblauch und weiteren Gewürzen und Kräutern, die ich nicht identifizieren kann. Unglaublich lecker, in Konsistenz und Suchtfaktor erinnern sie mich an Chips, nur sind sie wesentlich besser. Meine zweite Empfehlung erhält definitiv das Gericht Butter Chicken Masala, eine hervorragende Hauptspeise. Trinken sollte man regelmäßig indischen Chai Masala. Die Landesküche hier hat einiges zu bieten.

Zu Tisch werden dann die Pläne für den freien Nachmittag geschmiedet. Die beliebtesten Vorschläge sind ein Trip nach Auroville und Shopping. Ich schließe mich in meiner Planung dem ereignisreicheren Ausflug nach Auroville an, immerhin möchte ich so viel wie möglich erleben und für mein Buch festhalten. Da kommt mir Auroville gelegen. Zuvor hatte ich noch nie von diesem Ort gehört, dem Anschein nach ist er jedoch weltbekannt. Wieder mal eine Bildungslücke bei mir. Natürlich habe ich augenblicklich angefangen zu recherchieren. Um Auroville zu verstehen, muss man zunächst wissen, wer Sri Aurobindo war. Er hieß mit bürgerlichem Namen Aurobindo Ghose und war ein bedeutender Lehrer, Philosoph und Politiker, der in der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte. Schul- und Studienaufenthalte hatte er in England, darunter am berühmten King´s College in Cambridge. Während dieser Zeit kam er mit der europäischen Literatur und Geschichte in Berührung. Schnell bemerkten seine Lehrer und Professoren die Fähigkeiten des jungen Mannes, was ihm auch ein Stipendium und zahlreiche Preise sowie Auszeichnungen einbrachte. Hauptaugenmerk des jungen Aurobindo war dabei die klassische Philologie. Trotz seiner Begeisterung für westliche Philosophie, Literatur und Geschichte hielt er nicht viel von den Menschen, denen er in England begegnete. Seine revolutionären Reden, die er innerhalb seines Studentenverbandes hielt, sorgten sogar dafür, dass er vom englischen Staatsdienst ausgeschlossen wurde. Zur Jahrhundertwende wurden dann das literarische Talent und die rhetorischen Fähigkeiten des Vordenkers gefördert. So wurde er schließlich Professor für Englische Literatur und später Sekretär und Redenschreiber des Maharajas von Baroda. Einige Jahre später zog es den Mittdreißiger nach Kalkutta. Dort machte er sich für die Idee der Unabhängigkeit Indiens stark. Aurobindo gilt als erster Politiker Indiens, der den Mut aufbrachte, dieses Ziel öffentlich zu machen. Während der Gelehrte sein politisches Engagement ausweitet, beschäftigt er sich zeitgleich verstärkt mit den indischen Yoga-Lehren und Yoga-Übungen, die ihn nachhaltig prägen. Aurobindos politische Aktivitäten bringen ihn zwischenzeitlich in Untersuchungshaft, bis er vor Gericht freigesprochen wird. Dennoch muss er wegen seiner politischen Einstellung aus Britisch-Indien fliehen. Die Flucht führt ihn schließlich in das französische Pondicherry im Süden des Landes. In der Stadt, in der hundert Jahre später das Healing Camp stattfinden sollte, entwickelt Aurobindo das „Integrale Yoga“, also das umfassende Yoga. Ebenfalls in Pondicherry lernten sich Aurobindo und Mirra Alfassa kennen, die später als „The Mother“ weltbekannt werden sollte und viele Jahre später Auroville gründete.

Die Gemeinschaft, die sich um Sri Aurobindo und Mirra Alfassa gebildet hatte, wurde 1926 zum bekannten Ashram Sri Aurobindo. Noch im selben Jahr der offiziellen Benennung zog sich der Gelehrte aus der Öffentlichkeit zurück und lebte bis zu seinem Tod gemeinsam mit Alfassa in der Rue Francois Martin. Aus der friedlichen Idylle gerissen wurde Aurobindo durch den Zweiten Weltkrieg. Im Besonderen der Nationalsozialismus unter Hitler veranlasste ihn, sich gegen die Nazis zu positionieren. So äußerte sich Aurobindo in einer Weise, die man von einem Guru nicht erwarten würde. Menschen wie Hitler könnten sich nicht ändern, man müsste sie ins Jenseits befördern. Außerdem bekundete er seine Unterstützung der Briten in einer Zeit, in der die britischen Besatzer mehr und mehr Gegenwind seitens der indischen Bevölkerung erhielten. Dies ging so weit, dass er sogar Geldmittel des Ashrams für Kriegskassen zur Verfügung stellte und die indische Bevölkerung sowie deren Politiker aufrief, die Alliierten zu unterstützen, um die Versklavung der Menschheit an die Tyrannei des Bösen – damit waren die Nazis gemeint – zu verhindern.

Nachdem der Zweite Weltkrieg vorbei war, strebten Aurobindo und Alfassa die Errichtung einer internationalen Sri-Aurobindo-Universität an. Dabei konzipierten sie das gesellschaftstheoretische Modell einer nach vorne gewandten Stadt intellektueller Freiheit. Sie sollte Menschen aus aller Welt offenstehen, die ein Leben in Frieden und bewusster Selbstentwicklung führen wollen. Aurobindo konnte diese Idee nicht mehr selbst verwirklichen; er verstarb am 5. Dezember 1950 in Pondicherry. Drei Jahre zuvor, an seinem 75. Geburtstag, durfte er jedoch die Unabhängigkeit Indiens erleben. Nach Aurobindos Tod verwirklichte Mira Alfassa ihr gemeinsames Projekt und wurde dabei von der indischen Regierung unterstützt. Das Vorhaben wurde international so bekannt, dass sogar die Sonderorganisation der Vereinten Nationen UNESCO ihre Unterstützung erklärte. Im Jahr 1968 folgte dann die große Eröffnung mit Gästen aus nahezu allen Nationen der Welt. Ausgelegt ist die Anlage auf 50.000 Einwohner, bisher leben circa 2700 Menschen dort. Deren Zusammenleben wird von der Vier-Punkte-Charta bestimmt:

 

  1. Auroville gehört niemandem im Besonderen. Auroville gehört der ganzen Menschheit. Aber um in Auroville zu leben, muss man bereit sein, dem göttlichen Bewusstsein zu dienen.
  2. Auroville wird der Ort des lebenslangen Lernens, ständigen Fortschritts und einer Jugend sein, die niemals altert.
  3. Auroville möchte die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft sein. Durch Nutzung aller äußeren und inneren Entdeckungen wird Auroville zukünftigen Verwirklichungen kühn entgegenschreiten.
  4. Auroville wird der Platz materieller und spiritueller Forschung für eine lebendige Verkörperung einer wirklichen menschlichen Einheit sein.

  

So weit, so gut. Jetzt bin ich wirklich gespannt auf diesen sagenumwobenen Ort. Wir bestellen also ein halbes Dutzend Tuktuks – das geht ganz leicht. Es scheint, als gehörten die Tuktuk-Fahrer alle zusammen. Sobald einer informiert ist, stehen wenige Sekunden später so viele bereit, wie man möchte. Klasse. Mir gefällt diese etwas abenteuerliche und unkomplizierte Art der Fortbewegung. Nach circa 20 Minuten erreichen wir Auroville. Noch weiß ich nicht wirklich, was ich von diesem Ort halten soll. Das Konzept klingt zumindest spannend und auch ein wenig abenteuerlich. Ich frage mich, warum sich das in den vergangenen 50 Jahren nicht durchgesetzt hat. Zugegeben, persönlich könnte ich mir das nicht vorstellen. Doch der Gedanke ist gut und das aktuelle Gesellschaftskonzept unserer westlichen Welt funktioniert offensichtlich auch nicht, sonst würde nicht so vieles schieflaufen. Auroville ist vielleicht doch zukunftsträchtig?

Was mir als Erstes auffällt und ziemlich überrascht, ist die Monetisierung des spirituellen Ortes. Unzählige Shops und Boutiquen – doch nicht ganz so anders als bei uns. Aber das ist nur der erste Eindruck. Gedankenversunken lasse ich mich treiben und folge den anderen. Wohin gehen wir eigentlich? Zum Matrimandir – das ist eine Art Wahrzeichen des Ortes, morgen werde ich mehr darüber erfahren. Dann bekommen wir eine Führung und dürfen das sakrale Zentralgebäude der Stadt betreten. Es sei eine besondere Ehre, den Tempel der Mutter zu betreten, wird mir erklärt. Normalerweise muss man wochenlang auf eine Eintrittskarte in diese besondere Kugel warten. Möglich ist das durch die Dankbarkeit einer Esperentin, wenn ich das richtig verstanden habe. Da bin ich wirklich gespannt.

Immer auf dem Weg ins nächste Abenteuer

 

 

April 2020 – Neuerscheinung Maximilian Medlitschs Buch: HEILER OHNE GRENZEN Amazing Grace in Indien

Annette Mueller